Fotografinnen an der Front

Fotografinnen an der Front
Fotografinnen an der Front

Pressemitteilung Fotomuseum Winterthur, Januar 2020

Fotografinnen an der Front 29.02.–24.05.2020 Fotomuseum Winterthur

Ausstellungseröffnung und Apéro
Freitag, 28.02.2020, ab 18:00

Die Ausstellung Fotografinnen an der Front – Von Lee Miller bis Anja Niedringhaus widmet sich der Bildberichterstattung aus internationalen Kriegen und Konflikten. Gezeigt werden rund 140 zwischen 1936 und 2011 entstandene Bilder der Fotojournalistinnen und Dokumentarfotografinnen Carolyn Cole (*1961), Françoise Demulder (1947–2008), Catherine Leroy (1944–2006), Susan Meiselas (*1948), Lee Miller (1907–1977), Anja Niedringhaus (1965–2014), Christine Spengler (*1945) und Gerda Taro (1910–1937). In ihren Aufnahmen geben die Fotografinnen einen fragmentarischen Einblick in die komplexe Realität des Krieges, vom Spanischen Bürgerkrieg über den 2. Weltkrieg, den Vietnam- und Kosovokrieg, bis zu jüngeren internationalen Kriegsgeschehen im Balkan, in Afghanistan, Irak oder Libyen.

Die Positionen der acht Fotografinnen präsentieren verschiedene Zugänge zum Krieg und seinen Auswirkungen – von einer traditionellen Kriegsberichterstattung über eingebetteten Fotojournalismus bis hin zu innovativen Ansätzen sozialdokumentarischer Fotografie. Die gewählten Perspektiven bewegen sich dabei zwischen sachlicher Distanz und persönlicher Anteilnahme.

Die von Anne-Marie Beckmann und Felicity Korn kuratierte und von Nadine Wietlisbach für das Fotomuseum Winterthur adaptierte Ausstellung konzentriert sich auf weibliche Positionen. Sie verdeutlicht so die lange Tradition von in Krisengebieten tätigen Fotografinnen und bricht mit der weitläufigen Vorstellung, die Kriegsfotografie sei ein durchweg männlich besetztes Berufsfeld. Auch wenn sich die Inszenierungs- und Erzählstrategien der Fotografinnen nicht grundsätzlich von denen ihrer männlichen Kollegen unterscheiden, so mussten sich die Frauen ihre Position an vorderster Front doch immer wieder erkämpfen und sich ausserhalb der für sie vorgesehenen Strukturen bewegen. Dagegen erhielten sie aufgrund ihres Geschlechts in manchen Regionen und Kulturkreisen auch Zugang zu Familien und Betroffenen, der männlichen Kollegen verwehrt blieb. Damit wurde es ihnen möglich, ein differenziertes Bild von den Auswirkungen des Krieges auf die Zivilbevölkerung zu zeichnen. Die in der Ausstellung gezeigten Bilder entstanden vorrangig für die schnelllebige Nachrichtenwelt. Sie prägten mit ihrer massenmedialen Verbreitung die um den Krieg geführten Diskurse sowie die Diskussionen um die umstrittene Wirkungsmacht seiner Visualisierung massgeblich mit. Über die Zeitspanne fast eines Jahrhunderts lässt sich damit auch die Entwicklung des Berufsfeldes der Fotojournalist_innen ablesen – insbesondere vor dem Hintergrund einer sich konstant verändernden Medienlandschaft, die sich im Zuge der Digitalisierung abermals grundlegend im Wandel befindet. Die von den Fotografinnen gewählten Bild- und Erzählstrategien sind das Ergebnis einer konstanten Suche danach, unvorstellbare Realitäten zu bezeugen, Betrachter_innen zu bewegen, sie für die komplexen geo- wie soziopolitischen Situationen in den Kampfzonen zu sensibilisieren und über deren Sichtbarmachung letztlich sowohl Haltungen wie Handlungen zu erwirken. Sie bleiben in Zeiten andauernden globalen Konfliktes Ausdruck der Überzeugung, dass die Auseinandersetzung mit Bildern von Gewalt dazu beitragen kann, Verantwortung zu übernehmen und Veränderung herbeizuführen.

 

Die Fotografinnen

Die deutsch-jüdische Fotografin Gerda Taro (1910–1937) ergriff in ihren Bildern vom Spanischen Bürgerkrieg Partei für die politische Agenda der Republikaner_innen. Im noch jungen Format der Fotoreportage fanden ihre Bilder Einzug in Zeitschriften wie Vu oder Regards. Taro war die erste Kriegsfotografin, die im Einsatz umkam: Ihr tragischer Tod mit nur 26 Jahren erlangte 1937 internationale Aufmerksamkeit. Dennoch geriet sie wenig später in Vergessenheit, da Bildagenturen ihre Fotografien zunehmend ihrem Partner Robert Capa zuschrieben.

Als Korrespondentin des Modemagazins Vogue dokumentierte die amerikanische Fotografin Lee Miller (1907–1977) ab 1944 den Vormarsch der Alliierten gegen das Deutsche Reich. Zunächst beauftragt in einem Lazarett zu fotografieren, fand sich Miller durch einen internen Kommunikationsfehler des Militärs an vorderster Front wieder. Sie begleitete die alliierten Truppen von der Normandie bis nach Süddeutschland. Miller gehörte zu den Bildberichterstatter_innen, die direkt nach der Befreiung der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald vor Ort waren.

Zu den bekanntesten Fotojournalist_innen des Vietnamkriegs zählt die Französin Catherine Leroy (1944–2006). Ihre Bilder verdeutlichen, wie freizügig sie sich im Frontgeschehen bewegte: Sie fotografierte den Kampf gleichermassen aus der Luft wie zu Land und erstellte dabei häufig kurze Sequenzen aufeinanderfolgender Ereignisse. Magazine wie Paris Match und Life nutzten dieses narrative Potenzial und druckten ihre Bildstrecken seitenfüllend ab.

Auch Françoise Demulder (1947–2008) begann ihre Karriere im Vietnamkrieg, wo sie 1975, als die meisten ausländischen Journalist_innen bereits das Land verlassen hatten, exklusiv den Einmarsch der nordvietnamesischen Truppen in Saigon fotografierte. Im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Bildagenturen Gamma und Sipa Press wendete sich Demulder ebenso militärischen Handlungen wie auch deren Folgen für die Zivilbevölkerung zu.

Die im Elsass geborene Christine Spengler (*1945) fotografierte erstmals im Tschad einen bewaffneten Konflikt, in der Folge dokumentierte sie ab den 1970er-Jahren international zahlreiche Kriegs- und Krisensituationen, mitunter ebenfalls in Vietnam, in Kambodscha, im Iran, in der Westsahara und im Libanon. In ihren Fotografien widmete sie sich insbesondere den einheimischen Frauen und Kindern und deren Leben hinter den Frontlinien.

Als unabhängige Fotografin dokumentierte die Amerikanerin Susan Meiselas (*1948) Ende der 1970er-Jahre den sadinistischen Aufstand gegen das Somoza-Regime in Nicaragua. Ihr Foto des „Molotov Man“ ist zum Kultfoto avanciert und zirkuliert auch heute noch in ganz unterschiedlichen Kontexten als Zeichen des Protests. Für ihre Dokumentation wählte die Magnum-Fotografin das Medium der Farbe zu einer Zeit, als dessen Einsatz sich vornehmlich auf die kommerzielle Fotografie beschränkte. Ihr Buch Nicaragua gehört somit zu den frühesten farbigen Kriegsdokumentationen.

Ebenfalls in Farbe fotografiert die Amerikanerin Carolyn Cole (*1961), die seit 1994 für die Los Angeles Times arbeitet. Sie war als Fotojournalistin mitunter im Kosovokrieg, in Afghanistan, in Liberia und dem Irak tätig. Ihre Fotografien, die bis heute sowohl in den Print- wie auch den Onlinemedien genutzt werden, zeugen von einem aktuellen Zugang zur Kriegsfotografie, der nicht zuletzt die sich wandelnden technischen Bedingungen des Berufsfeldes wiederspiegelt.

Die deutsche Fotografin Anja Niedringhaus (1965–2014) war seit den 1990er-Jahren in Kriegs- und Krisengebieten tätig, vom Balkan bis zu den Kriegen im Irak, Afghanistan und Libyen. Besonders verbunden fühlte sich Niedringhaus der Zivilbevölkerung, deren Lebensumstände sie dokumentierte. Als „embedded journalist“ stand sie an der Seite der Soldat_innen und berichtete über deren Einsatz in den Kampfzonen. Am 4. April 2014 wurde Niedringhaus im Rahmen ihrer Berichterstattung über die Wahlen in Afghanistan innerhalb eines Stützpunkts der Sicherheitskräfte in der Provinz Khost erschossen.

 

Informationen zum Museum

Das Fotomuseum Winterthur ist eine führende Institution für die Präsentation und Diskussion der Fotografie und visuellen Kultur. Anhand der fotografischen Produktion bekannter Namen wie junger Talente verhandelt die Institution die Themen unserer Gegenwart und verbindet die Geschichte der Fotografie mit ihrer Zukunft. Das Fotografische erforscht das Fotomuseum Winterthur in seiner breiten Vielfalt. Die künstlerischen, angewandten und kulturellen fotografischen Erscheinungsformen bettet das Haus in bedeutsame Kontexte ein und reflektiert ihre Bedingungen kritisch. In der Theorie wie in der Praxis bewegt es sich am Puls der Zeit und erprobt über experimentelle Anordnungen unterschiedliche Formen der Wissensproduktion. Über die Sammlung (ab 1960) gestaltet das Museum die Geschichte(n) und das Verständnis fotografischer Medien mit.

Das Fotomuseum belebt lokal und strahlt international aus. Der Austausch und der Dialog sind für die Institution zentral. Mit dem Aufbau des Vermittlungsangebote zu Bild- und Medienkompetenz werden fotografische Techniken und Prozesse in einen breiten gesellschaftlichen und politischen Kontext gestellt. Das Fotomuseum Winterthur steht für eine reflektierte, selbstbestimmte und kreative Mediennutzung ein. Mit den Ausstellungen, Vermittlungs- und diskursiven Formaten sowie Publikationen will das Museum überraschen, anregen und neue Erfahrungsräume erschliessen. Dafür arbeitet die Institution in einem internationalen und interdisziplinären Netzwerk von Expert_innen und reagiert offen und dynamisch auf neue Entwicklungen.

Das Fotomuseum Winterthur wurdet 1993 gegründet und bildet gemeinsam mit der Fotostiftung Schweiz seit 2002 das Fotozentrum. Das Fotozentrum ist die führende Kompetenzstelle für Fotografie der Schweiz.

Einladung zur Ausstellung Fotografinnen an der Front (PDF 1,6 MB)

Credits der Pressebilder von Anja Niedringhaus (PDF 0,8 MB)

Kontakt
Julia Sumi
Verantwortliche Presse und Kommunikation
sumi@fotomuseum.ch

T +41 52 234 10 74